Textgrundlagen der Bibelübersetzungen




Wer die Botschaft der Bibel in ihrer vollen Tragweite erfahren möchte, muss sich über eines im Klaren sein: Dieses Buch ist weder ein Roman, noch ein zeitloser Klassiker, der sich ohne weiteres in unsere Sprache übertragen lässt.  Daher ist es notwendig und unerlässlich, dass man sich als Leser auf fremde Denkweisen und sprachliche Formen einlässt, die aus einer uns fern gerückten Zeit stammen. Zwischen den beschriebenen Verhältnissen und Erfahrungen der biblischen Welt und unserem heutigen Verständnis steht die große Kluft kultureller, historischer und sozialer Veränderungen, die das Übertragen und Erfassen der Inhalte zu einer Herausforderung machen.

Bei wissenschaftlichen oder prosaischen Werken treten in dieser Hinsicht nur selten Probleme auf, da sich die Inhalte meist problemlos in die Gegenwartssprache konvertieren lassen. Anders sieht es etwa in der Dichtkunst aus - so viel Mühe sich auch die Übersetzer geben, so ist es dennoch nicht möglich beispielsweise Homers Epen ohne Verlust an dichterischer Substanz ins Deutsche zu übertragen. Ähnlich verhält es sich mit Werken, die reich an Botschaften und Bildern sind - wie etwa der Bibel. Wer sich dies beim Lesen immer vor Augen hält, der läuft nicht mehr Gefahr, sich auf einzelne sprachliche Eigenheiten oder bestimmte Formulierungen zu fixieren, sondern kann den Kern der Botschaft erfassen, was für ein Verständnis zwingend notwendig ist.

Auch wenn es für uns selbstverständlich klingt, dass biblische Übersetzungen heute aus den Originalsprachen angefertigt werden (d.h. AT: hebräisch, teils aramäisch; Apokryphen und NT: griechisch), war dies nicht immer so. Katholische Übersetzungen wurden bis zu den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in der Regel aus der kirchenoffiziellen lateinischen Vulgata übertragen. Mittlerweile jedoch wurde auch die Vulgata nach den griechischen und hebräischen Urtexten korrigiert und überarbeitet (Nova Vulgata 1979).

Dass man sich mittlerweile an die Originalsprachen hält bedeutet jedoch keineswegs den Anspruch auf wahre Ursprünglichkeit. Kein biblisches Buch ist in der ursprünglichen Handschrift des Verfassers überliefert - uns bleiben lediglich die Einzelschriften späterer Jahrhunderte, die sich untereinander in Lesart und Wortlaut unterscheiden. Die "besten" Handschriften (die dem Grundtext möglichst nahe kommen) herauszufinden ist und war die Aufgabe biblischer Textforscher, die sich seit langer Zeit mit dieser Herausforderung befassen. Da die Befunde der Überlieferungen für die einzelnen biblischen Teile unterschiedlich sind, ist es notwendig, sie gesondert zu betrachten:

- Textgrundlagen des Alten Testamentes
- Textgrundlagen des Neuen Testamentes
- Textgrundlagen der Apokryphen/Spätschriften

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